Ich und Du – der Dialog beim Fotografieren

Heute ein philosophischer Ansatz basierend auf dem Dialogprinzip von Martin Buber.1
Welche Beziehung besteht zwischen Streetfotograf und dem Motiv?
Was macht diese Beziehung mit mir als Fotograf?
Welcher Dialog entsteht zwischen dem Fotograf und einer Person als Subjekt?

Das Dialogische Prinzip

Es gibt zwei Sichtweisen auf das Motiv eines Streetfotos:
Einmal als Subjekt, d.h. im Sinne von Buber die Beziehung „Ich“ zum „Du“.
Oder die Sichtweise als Objekt, d.h. im Sinne Bubers die Beziehung „Ich“ zum „Es“.
Der Unterschied liegt in der Qualität der Beziehung.

Denn Du ist mehr, als Es weiß. Du tut mehr, und ihm widerfährt mehr, als Es weiß.2

Was bedeutet dies im Kontext der Streetfotografie?
Es ist meine Entscheidung als Fotograf, wie ich mich dem Motiv nähern möchte:
Will ich in Beziehung zu ihm treten, dann betrachte ich es als „Du“.

Die Gestalt, die mir entgegentritt, kann ich nicht erfahren und nicht beschreiben: nur verwirklichen kann ich sie. Und doch schaue ich sie, im Glanze des Gegenüber strahlend, klarer als alle Klarheit der erfahrenen Welt.3

Es ist die Welt des Gegenwärtigen, in der ich zu der zu fotografierenden Person (oder vielleicht auch ein Tier, ein Gegenstand …) in Beziehung trete. Es findet etwas zwischen uns statt, in Form eines stillen Dialoges, der keiner Worte bedarf. Ein Blick, ein Heben des Lids, ein Runzeln der Stirn und mir wird eine Botschaft mitgeteilt. Ein Signal auf das ich als Fotograf in Reaktion gehen kann. Vielleicht durch ein Lächeln oder ein Schulterzucken oder ein paar Worte – wer weiß?

Demgegenüber steht die Interaktion mit anderen in Form des „Es“.

Der ichhaft gewordene Mensch, der Ich-Es sagt, stellt sich vor den Dingen auf, nicht ihnen gegenüber im Strom der Wechselwirkungen; mit der objektivierenden Lupe seines Nahblicks über die einzelnen gebeugt oder mit dem objektivierenden Feldstecher seines Fernblicks sie zur Szenarie zusammenordnend, sie in der Betrachtung isolierend ohne Ausschließlichkeitsgefühl oder die sie in der Betrachtung verknüpfend ohne Weltgefühl – jenes könnte er nur in der Beziehung, dieses nur von ihr aus finden.4

Dies ist die Welt des Objektiven, den Ent-Menschlichten. Personen werden zu Dingen, verborgen hinter dem Sucher – eine andere Welt.

Das Beispiel der ethischen Fragen

Das bisher abstrakt, philosophisch formulierte kann sich der geneigte Leser anhand der ethischen Grenzfälle der Streetfotografie erschließen:
Wie geht der Fotograf um, wenn er einen obdachlosen, hilfsbedürftigen Menschen vor der Linse hat?
Sieht er ihn als Mensch, also in der Beziehung Ich-Du?
Oder distanziert er sich von ihm, in Form der Beziehung Ich-Es?

Ersteres würde eine Interaktion mit der Person voraussetzen. Einen zwischenmenschlichen Kontakt, ein Austausch, womöglich ein Gespräch.
Eine Frage, die in jeder Fotograf für sich selbst entscheidet.

Systemische Interaktion und Rückkopplung

Der Kontakt zwischen Fotograf und Motiv, sei es in Form des Ich-Du oder in Form des Ich-Es, ist systemisch.
Daher ist es ein Geflecht von Feedbackschleifen – Kommunikation entsteht.
Dialog ist Systemik und wie in jeder systemischen Beziehung macht dies auch etwas mit mir als Fotograf.
Um im vorherigen Bild zu bleiben: Lässt es mich als Fotograf kalt, wenn ein anderer Mensch Hilfe benötigt? Oder gehe ich auf ihn zu und biete meine Hilfe an? Oder es lässt mich nicht kalt, aber ich wende mich ab?
Warum fällt meine Entscheidung in die eine oder andere Richtung aus?
Wer sich dieser Frage stellt, kann viel über sich selbst erfahren. Und auch über den Anderen.

Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.5

Fazit

Der Dialog ist Bestandteil der Begegnungen, die ein Fotograf auf der Straße beim Fotografieren begegnet. Er kann sich dieser Naturgewalt nicht entziehen, sondern nur sich selbst positionieren. Diese Entscheidung sagt sehr viel über den Menschen aus, der fotografiert und bietet die Möglichkeit zum Lernen.
Streetfotografie ist daher nichts anderes als das Lernen am Leben.

  1. Martin Buber, Das Dialogische Prinzip, 15. Auflage 2019, Lambert Schneider / Gütersloher Verlagshaus
  2. aaO, S. 15
  3. aaO, S. 16
  4. aaO, S. 35
  5. aaO, S. 17

Zen in der Fotografie auf der Straße

Fotografieren hat etwas Meditatives an sich. Dies gilt ganz besonders für die Fotografie auf der Straße, da durch die vielen Ablenkungen im Gewirr des Alltags eine besondere Form der Konzentration notwendig ist.

Zen als Geisteshaltung für das Hier und Jetzt kann eine solche Einstellung vermitteln, um in eine Fokussierung und trotzdem Gelassenheit beim Fotografieren zu gelangen.

Mein Verständnis von Zen

Zen ist eine Ausprägung des Buddhismus, wie er heute vorwiegend in Japan gelebt wird.

Aufgrund diverser New-Age-Strömungen in den 60er Jahren und danach wird „Zen“ oft in unserer westlichen Welt mit Formenreduktion oder einer Art Minimalismus gleichgesetzt, wie zum Beispiel in Zen-Gärten.

Dies entspricht nur teilweise meinem Verständnis von Zen.

Zen ist für mich eine Geisteshaltung. Eine Form der inneren Bewusstwerdung des Hier und Jetzt mittels Konzentration und Kontemplation. Wer mit dieser Geisteshaltung durch das Leben schreitet, erkennt im Weg das Ziel. Es ist die Verschmelzung des Ganz-bei-sich-seins mit der allumfassenden Umwelt.

Durch die meditativen Bestandteile in Form des Zazen wird der Geist geschult, achtsam und fokussiert zu bleiben.

Genau diese Geisteshaltung hilft beim Fotografieren im urbanen Umfeld.

Zen beim Fotografieren

Um zu vermitteln, was beim Fotografieren vor sich geht, möchte ich an dieser Stelle die Analogie zum Jagen verwenden. Interessanterweise wird im Englischen hier auch gerne die Redewendung „to shoot a photo“ verwendet. Nicht anderes macht der Fotograf auch: Er erlegt zwar kein Tier, dafür jagt er Momente.

Ein interessantes Buch, dass diesen Zusammenhang zwischen „Schießen“ und Zen umschreibt ist von Eugen Herrigel, Zen in der Kunst des Bogenschießens.1

Daraus ein paar Zitate:

Sie verweilten diesmal völlig selbstvergessen und absichtslos in höchster Spannung; da fiel der Schuss von Ihnen ab wie eine reife Frucht.2

Um nun die höchste Spannung dieser geistigen Wachheit zu entfesseln, müssen Sie die Zeremonie anders durchführen als bisher: So etwa, wie ein rechter Tänzer tanzt. Wenn Sie dies tun, entspringen die Bewegungen Ihrer Gliedmaßen jener Mitte, in welcher die rechte Atmung geschieht.3

Bin ich es, der den Bogen spannt, oder ist es der Bogen, der mich in höchste Spannung zieht? Bin ich es, der das Ziel trifft, oder trifft das Ziel mich? Ist das ›Es‹ in den Augen des Körpers geistig und in den Augen des Geistes körperlich – ist es beides oder keines von beiden? Dies alles: Bogen, Pfeil, Ziel und Ich verschlingen sich ineinander, dass ich sie nicht mehr trennen kann. Und selbst das Bedürfnis, zu trennen, ist verschwunden.4

Und? Haben Sie, lieber Leser, sich in diesen Sätzen wiedererkannt?

Es gab Tage, in denen ich mir meine In-Ear-Kopfhörer eingesteckt hatte und dann bei Musik durch die Menschen getanzt bin. Einem Ballett gleich ausweichend und schlängelnd durch die Massen geflossen bin und, ohne zu fokussieren, Fotos geschossen hatte, während ich darauf vertraute, dass der Autofokus der Kamera es richten wird.

Es gab andere Tage, in denen ich wie im Rausch, in höchster Versenkung, einer Maschine gleich, die Kamera zum Kopf bewegt und instinktiv abgedrückt hatte, ohne wirklich bewusst wahrzunehmen, was ich gerade fotografiere.

Es war auch nicht wichtig.

Es war der Akt des Fotografierens, das Eins-Werden mit der Kamera, das mich Handeln ließ und die Entscheidungen traf. Es war nicht ICH, der Fotos schoß; es war ES, das mich Spannung und Abdrücken aus meinem Unterbewusstsein folgen ließ.

Der Weg des Fotografierens war das Ziel, nicht das Foto selbst.

Atemtechnik als meditatives Element

Einen wesentlichen Aspekt des Zen ist die Meditation. In der Meditation ist das richtige Atmen essenziell.

Durch die Verlangsamung der Atmung hin zu einem ruhigeren Rhythmus und das Gewahrsein dieser Atmung durch Konzentration, kehrt Ruhe in das Denken ein. Dieses Denken ermöglicht die Fokussierung auf das fotografische Motiv. In der Straßenfotografie von besonderer Bedeutung, denn die Momente sind schnelllebig. Es bleibt keine Zeit für Entscheidungen, sondern der Geist muss so klar und fokussiert sein, dass er reflexartig ein Programm abspulen kann, wenn der „Befehl“ zum Auslösen erfolgt.

Dieses ruhige Atmen kann trainiert werden. Sowohl in eigenen Meditationsübungen, als auch durch die meditativen Aspekte des Laufens durch die Straßen selbst.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine Atemfrequenz von 4 Sekunden Einatmung und 6 Sekunden Ausatmung zu einer erhöhten inneren Ruhe führen.5 Einfach mal ausprobieren.

Zen in der Fotogestaltung

Wie oben ausgeführt, ist die Formenreduktion als Methode des Minimalismus nicht mein primäres Verständnis von Zen.

Vielmehr ist die Reduktion im Foto ein „Abfallprodukt“ eines bewussten Handelns im Sinne des Zen. Wer den Weg des Zen geht und dabei im Hier und Jetzt ist, wird sich nicht ablenken lassen, sondern sich auf das Wesentliche fokussieren.

Dadurch wirkt auch in vielen Kontexten das Foto als Ergebnis reduziert.

Verstärkt werden kann dies in der Nachbearbeitung.

Manchmal, so geht es zumindest mir, gerate ich auch bei der Nachbearbeitung sehr vieler Fotos in eine Art meditativen Flow-Zustand, der dem des oben Beschriebenen ähnelt. Zu viele Informationen werden auf Dauer als störend wahrgenommen und ich selbst habe mich manchmal dabei ertappt, wie ich zum Ende der Bearbeitungssession hin stärkere Scharz-Weiß-Kontraste setze und unerwünschte Bildinformationen herausfiltere.

Diese so entstandenen Fotos wirken reduzierter, minimalistischer.

Zusammenfassung

Die meditativen Elemente des Zen können durch ihre fokussierende Geisteshaltung dabei helfen, bessere Fotos zu schießen.

Die richtige Atmung spielt dabei eine wichtige Rolle.

Eine Reduktion von Bildelementen ist dann eher Folge des fokussierten Vorgehens beim Akt des Fotografierens.

  1. O.W.Barth Verlag
  2. Seite 65
  3. Seite 68
  4. Seite 76
  5. Spektrum der Wissenschaft kompakt 45.20, Seite 9

Laws of Form in der Streetphotography

Nach längerer Zeit wieder ein Artikel. Ich möchte den Blog wiederbeleben und werde zukünftig regelmäßig Artikel schreiben über Philosophisches und Psychologisches beim Fotografieren auf der Straße.

Anfangen werde ich mit einem Artikel über die Anwendung der Laws of Form von George Spencer Brown (1)und der Auswirkungen auf den Akt des Fotografierens, der Nachbearbeitung und des Betrachtens des Fotos.

Draw a distinction

Law 2: Draw a distinction

Wenn wir ein Foto schießen, in dem Moment, kurz bevor wir den Auslöser drücken, was geht uns da durch den Kopf? Denken wir „oh, die Person lächelt“ oder denken wir „prima Szene“ oder denken wir gar nichts?

Auf jeden Fall fassen wir einen Entschluss. Den Entschluss diesen Moment als Standbild in Form eines Fotos einzufangen. Wir treffen eine Entscheidung. Und damit treffen wir auch eine Unterscheidung!

Denn vorher ist es der Ablauf des Lebens in Form eines Flusses. Durchgängig ohne Zäsur und zusammenhängend. 2

Durch den Druck auf den Auslöser will ich aber genau diesen Moment einfangen, ziehe ihn aus dem Lebensfluss heraus und unterscheide ihn dadurch von anderen Momenten.

Was passiert durch diese Unterscheidung?

Zunächst wirkt diese Unterscheidung wie ein Zusammenhalt: Alle Personen und Gegenstände auf dem Foto sind in diesem Foto zusammengefasst und sind für die Dauer der Existenz des Fotos in einer Relation zueinander gefangen. Das Foto bindet die Elemente des Gesehenen, dem Inhalt des Fotos, dieses einen Momentes.

Gleichzeitig schließe ich durch das Foto aus: Alle Geschehnisse, Personen und Gegenstände, die nicht in den Rahmen des Fotos eingefangen wurden, aber in diesem Moment des Lebensflusses anwesend waren, sind nicht Bestandteil des Momentes.

Durch diesen Zusammenhalt des auf dem Foto Gebannten und der Teile, die nicht sichtbar sind, wurde eine Grenze, eine Unterscheidung durch den Rahmen des Fotos getroffen.

Diese Grenze ist physisch, denn das Nichtsichtbare ist nicht physischer Bestandteil des Fotos, als auch temporal, denn der Moment ist eingefangen, das Leben ging aber weiter.

Grenzen überwinden

Bei manchen Unterscheidungen sind Grenzen durchlässig, ermöglichen einen Übergang. Ist dies auch hier möglich?

Die temporale Trennung macht dies schier unmöglich, denn der Moment ist Vergangenheit, unwiederbringlich.

Was passiert aber dann, wenn eine der Personen, die nicht auf dem Foto abgebildet sind, jedoch in dem Lebensmoment zugegen waren, dieses Foto sieht?

„Ach, da war ich ja auch! Schade, dass ich nicht zu sehen bin. Und außerdem war das ganz anders: Die Person rechts hat nämlich gelacht. Das sieht man hier gar nicht.“

So könnte dann ein Kommentar lauten und damit erfolgt eine Art Interaktion im Nachhinein, durch die Betrachtung.

Ansonsten ist die Grenze aber fix, oder?

Ein Blick sei an dieser Stelle der Nachbearbeitung gestattet: In der Nachbearbeitung können wir die Grenzen des Gesehenen und des eingefangenen Momentes durch den Zuschnitt des Fotos eine neue Bedeutung geben.

Die Grenze wird dadurch variabel, aber nicht durchlässig. Es bleibt die Unterscheidung des Abgebildeten von dem Nichtsichtbaren. Lediglich der Akt des Zuschneidens ist ein zweiter Moment des Treffens einer Unterscheidung. Und damit dem Ziehen einer neuen Grenze.

Beobachter

Wo vorher keine Unterscheidung war, ist durch das Drücken des Auslösers eine geworden, wie wir gesehen hatten.

Was ist dann meine Rolle oder Funktion als Fotograf? Bin ich Akteur, bin ich Teil, bin ich Beobachter? Vielleicht alles und doch nichts.

Teil bin ich, denn ich war in dem Lebensmoment anwesend. Teil bin ich aber nicht, denn ich bin nicht auf dem Foto zu sehen.

Akteur bin ich, denn ich habe das Foto geschossen, also die Unterscheidung getroffen. Akteur bin ich aber nicht, denn meine Handlung wurde nicht im Foto dokumentiert, sondern nur durch es.

Beobachter bin ich, denn ich betrachte das Foto, zum Beispiel in der Nachbearbeitung. Beobachter bin ich nicht, denn wenn ich das Foto veröffentliche, sind andere die Beobachter.

Der Begriff des Beobachters spielt in der Auseinandersetzung mit dem Werk George Spencer Browns eine bedeutende Rolle. 3

Auch in diesem Fall des Beispiels mit dem Foto wird deutlich, dass dem Beobachter – sei es der Fotograf selbst, oder eine Dritter – eine wichtige Rolle zukommt.

Das Foto selbst ist belanglos, wenn es sich niemand mehr anschaut. Nur in seiner Betrachtung wird seine Existenz gewahr. Damit wird auch nur in der Betrachtung der mit dem Foto eingefangene Moment von Bedeutung.

Der Beobachter als Dritter war in dem Moment des Lebensflusses vielleicht nicht dabei. Und dadurch gewinnt er eine große Chance: Denn durch seine Betrachtung wird ihm ermöglicht, das Gesehene neu zu interpretieren. Durch diesen Akt der Interpretation bekommt der eingefangene Moment eine neue Bedeutung und wird gegebenenfalls auch in einen anderen Kontext gesetzt.

Der Beobachter erschafft hier durch seine Beobachtung selbst Neues und wird dadurch Teil des Ganzen.

Re-Entry

Später in der Zeitlinie: Ich komme Tage später an den Ort des Fotos zurück. Die Situation ist jetzt eine andere. Neue Personen, neue Gegenstände, neue Abläufe.

Und doch wirkt das gemachte Foto in mir nach. Die Erinnerung an vergangenen Moment ist präsent. Vergleiche zum Hier und Jetzt entstehen und verschmelzen mit der Erinnerung.

Das Foto ist die Dokumentation des Vergangenen, das, was ich sehe, der Augenblick, was wird die Zukunft zeigen, wenn ich wieder an den Ort zurückkehre?

Beim erneuten Betrachten des Fotos wird das Vergangene wieder präsent und damit Bestand des Jetzt.

Zusammenfassung

Wir leben in Systemen.

Wir Fotografen der Straße bewegen uns in diesen Systemen. Ständig.

Durch unsere Fotos erschaffen wir Ausschnitte dieser Systeme und treffen Unterscheidungen.

Diese Unterscheidungen ermöglichen es Dritten, als Beobachtern zu interpretieren und damit Teil des Systems zu werden.

  1. George Spencer Brown, Laws of Form, Bohmeier Verlag, sixth edition 2015.
  2. Ich folge hier der Ansicht Demokrits „panta rhei“ – alles fließt. Eleaten mögen anders denken…
  3. Man nehme zum Beispiel die Werke von Niklas Luhmann, der sich intensiv mit den Laws of Form auseinandergesetzt hat.

Wie arbeite ich?

Dieser Artikel geht über Zeit. Denn die hat man bei Streetphotography schlicht nicht. Ich möchte daher an dieser Stelle erklären, wie und mit welchen Einstellungen ich inzwischen Fotos schieße. Da ich das Fujifilm X-System nutze, ist der Beitrag für dieses System geschrieben. Wenn Sie ein anderes System nutzen, können Sie evtl. den einen oder anderen Tipp für Ihr System übertragen.

Meine Frau und ich besitzen aktuell zwei Fuji-Kameras: Eine X-T2 und eine X-E3. Die meisten meiner Fotos habe ich mit zwei Objektiven gemacht: Dem XF27/2.8 (Pancake) und dem XF35/2. Neuerdings habe ich auch das XF23/1.4, das ich inzwischen wegen seiner überragenden Bildqualität verstärkt nutze. Ganz selten habe ich noch das XF56/1.2 im Einsatz.

Daher habe ich zwei wesentliche Kombos: Die X-T2 mit dem XF35/2 und die X-E3 mit dem XF27/2.8. Nachstehend dazu die Bilder:

Wie gesagt nutze ich auch das XF23/1.4 verstärkt und zwar hauptsächlich mit der X-E3.

Im Endeffekt ist es ein Abwägen zwischen Größe und Bildqualität. Die X-E3 mit dem XF27/2.8 ist mein Alltagsgerät, das ich meistens in einer Tasche dabei habe. Denn für die Streetphotography gilt: Die beste Kamera ist die, die man dabei hat.

Etwa 90% meiner Fotos schieße ich aus der Hüfte und nur etwa 10% mit bewusstem Fokussieren. Jetzt könnte der eine oder andere die Nase rümpfen, dass aus der Hüfte fotografieren keine Streetphotography ist. Das Schießen aus der Hüfte hat aber für mich zwei wesentliche Gründe: Erstens sehen viele Menschen nicht die Kamera, die ich auf Hüfthöhe halte. D.h. der candid-moment ist wesentlich besser zu erreichen bei einer Hüftposition. Der entscheidende Grund ist aber für mich die Geschwindigkeit! Es dauert schlicht zu lange, bis ich die Kamera am Auge habe und sauber fokussiere.

Apropos Geschwindigkeit: Mein gesamtes System ist auf Geschwindigkeit optimiert – die schnellste Autofokus-Einstellung (dazu weiter unten) und kurze Verschlusszeiten. Denn eines ist immens wichtig, bei Streetphotography: Der entscheidende Moment ist viel zu schnell vorbei! Sie werden nie genug Zeit für das beste Foto haben.

Wenn ich in Hüftposition die Fotos schieße, dann halte ich die Kamera in einer bestimmten Art und Weise:

Auf dem Bild ist der beidseitige Griff zu sehen, normalerweise nutze ich dies aber einhändig. Ich habe einen Soft-Release-Button auf meinem Auslöser. Dies hat aber keinen modischen Grund, sondern wie im Bild ersichtlich liegt mein Daumengelenk auf dem Release-Button. Das Foto schieße ich, in dem ich das Daumengelenk nach unten drücke.

Man kann dies z.B. in dem Titelbild sehen:

(Selfie, 2018)

Oder in einem anderen Bild mit Spiegel:

(Mirrored, 2018)

Wie sind jetzt meine dauerhaften Einstellungen in der Kamera?

  • Single-Modus (S): Der Continous-Autofokus „pumpt“ einfach zu oft und verbraucht dadurch Zeit.
  • Serienbild in langsamen Modus (CL) mit 4.0 Bilder pro Sekunde: Dies mache ich, weil bei schnellerem Modus zu wenig Veränderung beim Objekt passiert. Dazu auch unten noch eine Erklärung.
  • Area-Autofokus mit kleinstem Area-Feld: Ich habe in einem Artikel gelesen, dass dies der schnellste Autofokus-Modus der Fujikameras ist. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Autofokus einen Messpunkt findet.
  • Electronic-Shutter: Weil ich nicht gehört werden will. Aufpassen muss man hier wegen des Rolling-Shutter-Effects.
  • kein AF-Hilfslicht: Weil das der Gegenüber sehen würde.

Und dann gibt es die variablen Einstellungen:

  1. Bei Sonnenlicht: Auto-ISO von 200 bis 3200 und Mindestverschlusszeit von 1/500 (weil da die Verwacklungswahrscheinlichkeit am geringsten ist). Dazu Verschlusszeit auf A und Blende wird nach Objekt variiert. DR ist auf 100%.
  2. Bei normalen Licht (Standard): Auto-ISO von 200 bis 3200 und Mindestverschlusszeit von 1/60, aber DR ist erst einmal auf 200% (bei Bedarf stelle ich um). Hier ist die Verschlusszeit variabel (meist 1/500) und die Blende auf A.
  3. Wenig Licht: Auto-ISO von 400 bis 6400 und Mindestverschlusszeit von 1/60, DR ist immer auf 200%. Die Verschlusszeit ist hier auf 1/250 und die Blende auf A.

Dazu habe ich die Quick-Menü-Tasten entsprechend mit 3 Vorgabesets belegt.

Warum fotografiere ich eigentlich in Serienbildfunktion?

Im Eifer des Gefechts ist es nicht immer einfach, genau DEN entscheidenden Moment zu treffen. Bei Serienbilden kann man sich in Ruhe am iMac die Bilder ansehen und das beste aus der Serie heraussuchen. Wie auch in einem meiner besten Bilder:

Daneben hat die Serienbildfunktion noch einen weiteren Effekt: Manche Street-Situation ergeben eine Story, wenn mehrere Bilder zum Thema entstehen.

So, ich hoffe, ich konnte wieder ein paar Einblicke geben.

Fotos mit Bewegungsunschärfe

In diesem Beitrag möchte ich auf eine Technik eingehen, die ich sehr gerne verwende: Die Bewegungsunschärfe.

In anderen Artikeln hatte ich bereits einzelne Bilder mit Bewegungsunschärfe gezeigt, hier möchte ich auf mehr Details eingehen.

Wenn ich Bewegungsunschärfen fotografiere, dann ist meine Kamera in der Regel in folgenden Einstellungen: Verschlusszeit bei 1/15 oder 1/8, Blende im Automatikmodus, Auto-Iso, Serienbild und Autofokus auf Feldmessung. Die Belichtungsmessung ist bei mir grds. auf Mehrfeldmessung, so dass sich hier nichts ändert.

Wenn viel Licht vorhanden ist, z.B. bei Sonneneinstrahlung, ist zu bedenken, dass es leicht zu Überbelichtungen kommen kann. Daher ist in solchen Fällen am besten von vornherein auf den niedrigsten ISO-Wert einzustellen. Wer hat, kann natürlich dann auch einen ND-Filter verwenden.

Entscheidend ist, dass man versucht die Kamera so ruhig wie möglich zu halten. Angesichts meiner zitternden Hände ist das gar nicht so einfach. Daher kommt auch mal so was raus:

(untitled, 2018)

Wichtiger als ruhig halten, ist die Motivwahl! Sie benötigen einen fixen Punkt innerhalb eines sich bewegendes Umfeldes. Das richtige Timing sollte geübt werden.

Besonders günstig sind daher Plakate oder Schaufenster:

(Motion blur, 2018)

Ganz toll ist dies natürlich, wenn das Poster noch eine entsprechende Aussage hinsichtlich Bewegung beinhaltet:

(Hurry up, 2018)

Andere gute Motive sind stehende Menschen innerhalb einer Fußgängerzone, wie in dem schon gezeigten Bild:

(Fast cyclist, 2018)

Ein Ort, an dem ich gerne auch Bewegungsunschärfen aufnehme, ist der Bahnhof oder die U-Bahn-Station. Hier bieten sich zwei Kombinationen an: Lichter und Gänge.

Hier ein Beispiel für den Einsatz von Deckenlicht mit Bewegungsunschärfe:

(Subway lights, 2018)

Und das Beispiel für Gänge mit Menschen, die zum Zug hetzen:

(Subway station, 2018)

So, ich hoffe, ich konnte ein paar Einblicke in dieses Thema liefern.

Wie schießt man gute Streetfotos?

In diesem Artikel möchte ich darstellen, wie man relativ leicht gute Streetfotos schießen kann. Puh, da ist das noch ein Amateur und wagt hier gleich mal ein paar Tipps für Streetfotos zu geben. Ist wohl etwas arrogant!

Nein! Mir geht es hier nicht darum als Klugscheißer aufzutreten, sondern Anfängern ein paar Tipps zu geben, wie es mir gelungen ist innerhalb relativ kurzer Zeit zu für mich brauchbaren Fotos gekommen bin. Es kann dann jeder selbst entscheiden, ob er die Tipps annimmt oder nicht.

Ein Must-read zu dem Thema: Thorsten Andreas Hoffmann, Der abstrakte Blick, dpunkt-Verlag, 2016.

Generell unterscheide ich drei Kategorien, die eine differenzierte Behandlung erfordern:

  1. Streetportraits
  2. Situationskomik
  3. Dynamische Situationen
Streetportraits

Das Thema will ich hier gar nicht weiter vertiefen, sondern auf den Meister für dieses Thema verweisen: Eric Kim. Unter https://erickimphotography.com/ finden sich so viele gute Tipps und Erklärungen zum Thema Streetportraits, dem kann ich nichts Wesentliches mehr hinzufügen.

Nur eine Sache aus meiner Sicht: Geh so nah ran, wie möglich!

Situationskomik

Dazu ist erst einmal wichtig zu verstehen, wie Humor entsteht. Eine gute Lektüre hierzu ist John Vorhaus, The Comic Toolbox How to Be Funny Even If You’re Not: How to Be Funny If You’re Not, Silman James Press, 1994. Nach Vorhaus entsteht Humor, wenn wir unerwartete Gegensätze oder Widersprüchliches wahrnehmen. Zu visuellem Kontrast komme ich noch weiter unten, an dieser Stelle geht es mir um eine Art Motivkontrast, der Unmögliches oder Gegensätzliches darstellt.

(The admirer, 2018)

Die Komik entsteht in diesem Bild, weil es so aussieht, als ob der Mann mit den Models auf dem Plakat redet. Wir wissen natürlich, dass das unmöglich ist, daher fängt unser Gehirn an zu ergänzen, wie so etwas möglich ist. Das lässt uns Staunen, Grübeln und wenn wir die Lösung haben auch Lächeln.

TIPP: Suchen Sie nach Werbeplakaten, bei denen Figuren Sie direkt anschauen oder an Ihnen vorbeischauen. Und dann stellen Sie sich in Richtung der Blickrichtung und warten! Solange, bis jemand vorbeikommt und dann machen Sie so viele Bilder wie möglich. In der Regel ist mindestens ein gutes Foto dabei.

Dynamische Situationen

Die Dynamik oder Spannung kann aufgrund zweier verschiedener Arten entstehen: Kontrast oder Rhythmus. Beim Kontrast lässt sich dann noch der visuelle Kontrast vom Motivkontrast unterscheiden. Motivkontrast kann manchmal Humor erzeugen (siehe oben).

TIPP: Grundsätzlich gilt für alle Arten von dynamischen Situationen: Sehen Sie sich ihre Umgebung genau an: Was ist die dominierende Situation? Wenn Sie diese ausmachen können, suchen Sie nach der Ausnahme oder dem Gegenteil!

Visueller Kontrast

Visueller Kontrast kann durch Hell-Dunkel (Chiaro-Scuro) oder Farbkontraste erzeugt werden.

Beispiel für Hell-Dunkel-Kontrast:

(Enlighted man, 2018)

TIPP: Die dominierende Situation ist entweder ein dunkles Umfeld, dann suchen Sie nach Licht! Oder es ist ein helles Umfeld, dann suchen Sie nach Schatten! Dominiert keines, dann ist dies kein Motiv für Hell-Dunkel-Kontraste.

Farbkontrast

Farbkontraste entstehen durch gegensätzliche Farbkombinationen gemäß der Farbenlehre (vgl. Itten, Goethe etc.).

(Garbage contrast, 2018)

TIPP: Farbkontraste sind nicht immer leicht zu erkennen. Aber es kann sein, dass sie Warnfarben sehr schnell wahrnehmen, also vorrangig Gelb, Orange, Rot. Suchen Sie dann im Umfeld nach der Komplementärfarbe, also in der Regel Blau, Violett, Grün. Wichtig ist, dass einer der beiden gegensätzlichen Farbtöne mengenmäßig dominiert und die Komplementärfarbe nur ein Farbklecks ist.

Motivkontrast

Der Motivkontrast ist am Schwierigsten zu erkennen. Achten Sie hier wirklich genau auf auffällige Charakteristika. Manche Orte bringen diese Charakteristika bereits mit sich: Bahnhöfe, Flughäfen, Bushaltestellen.

TIPP: In Bahnhöfen rennen Menschen viel herum, weil sie ihren Zug noch bekommen möchten. Suchen Sie in dieser Menge nach Menschen, die stehen bleiben, fokussieren Sie auf diese Menschen und machen Sie ein Foto mit langer Belichtungszeit.

TIPP: An Bushaltestellen warten Menschen in der Regel und stehen still. Fokussieren Sie auf diese Menschen, wenn der Bus kommt und machen Sie dann ein Foto mit langer Belichtungszeit.

(Fast cyclist, 2018)

An manchen Orten ergeben sich andere Arten von Kontrasten. Hier gilt es auch ein wenig, kreativ zu sein, z.B. sitzen Menschen in einer Bar in der Regel gesellig beisammen. Der Kontrast wäre ein Mensch, der alleine an einem Tisch sitzt und in Gedanken versunken ist.

Und manchmal ergibt sich der Kontrast alleine durch zwei gegensätzliche Motive, wie in folgendem Bild:

(Different hair, 2017)

Rhythmus

Rhythmus als Dynamik erzeugendes Moment entsteht durch die Reihung gleich aussehender Gegenstände oder Menschen, wobei die größte Wirkung erzielt wird, wenn am Ende der Reihe eine Ausnahme von der Reihe steht.

(Chairs, 2018)

Hier stellen die Stühle eine Art Reihe dar, der durch die putzende Frau unterbrochen wird.

Bitte beachten Sie, dass in manchen Kulturkreisen von rechts nach links gelesen wird und dann die Reihe einen anderen visuellen Startpunkt hat. Vermutlich hat das oben stehende Bild auf Betrachter aus dem vorderasiatischen Kulturkreis eine stärkere Wirkung.

Ich hoffe, dass meine Tipps ein wenig weiterhelfen konnten…

Was ist Streetphotography für mich?

„Was ist Streetphotography für mich“ ist schon fast eine metaphysische Frage. Es geht mir bei diesem Artikel darzulegen, welchen Sinn ich in Streetphotography sehe und was sie mir darum bedeutet.

Streetphotography ist für mich in erster Linie dokumentarisch.

Mit den Fotos möchte ich das Leben in einer Großstadt, meistens sind es deutsche Großstädte, in unserer heutigen Zeit zeigen. Dies hat viel mit Menschen zu tun, daher sind nur wenige Bilder von mir gegenständlich. Eines der wenigen Bilder dieser Art z.B. ist:

(Wig Parade, 2018)

Dokumentation hat eine lange Tradition in der Fotografie, aber auch in der bildenden Kunst.

So ist der erste „Streetfotograf“ in meinen Augen Pieter Brueghel der Ältere. Hätte er damals einen Fotoapparat gehabt, dann hätte er Streetphotography betrieben. Hatte er leider nicht, darum musste er Gemälde zeichnen. Was ich damit meine ist z.B. auf seinem Bild „Der Bauerntanz“ aus dem Jahr 1567 zu sehen. Ich kann leider nur auf Fundstellen im Netz verlinken, da ich keine Bildrechte besitze, um das Bild hier zu zeigen: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Peasant_Dance

Da der Streetphotography diese dokumentarische Seite aus meiner Sicht innewohnt, habe ich so meine Schwierigkeiten mit „gestellten Szenen“ (wie ich schon an anderer Stelle erwähnt hatte). Auch wenn solche gestellten Fotos eine wahnsinnige künstlerische Ausstrahlung haben können und ich manche Fotografen auch bewundere, würde ich solche gestellten Bilder nicht machen. Aber vielleicht ändert sich ja meine Sichtweise, wenn ich die Gelegenheit dazu bekommen sollte.

Also sind derzeit meine Bilder in erster Linie Momentaufnahmen des Lebens.

(Secret smoker, 2017)

Zum Zweiten hat Streetphotography für mich auch den künstlerischen Aspekt. Ich sortiere meine Streetfotos dahingehend aus, dass ich optisch ansprechende und Fotos mit Dynamik bevorzuge. Daher achte ich nicht nur auf eine gewisse Spannung in meinen Bildern (dazu in einem anderen Artikel mehr) sondern auch in der Nachbearbeitung auf eine gute Bildaufteilung. Eine Drittelaufteilung ist für mich der Richtwert.

(Being laughed at, 2018)

Aber auch die Konstraste und Farbharmonien versuche ich zu berücksichtigen. Minimalismus ist mir bei bestimmten Bildern als Stilmittel sehr wichtig, um den visuellen Akzent zu setzen.

(Puppet company, 2018)

Schließlich ist mir persönlich die Streetphotography zur Entspannung wichtig. Das Ausleben des kreativen Momentes im Kontrast zu meinem Bürojob gibt mir Erfolgs- und Glücksmomente, aus denen ich viel Kraft ziehe. Nicht zuletzt ist auch die Anerkennung durch meine Follower für mich eine Bestätigung für das, was ich mit den Fotos ausdrücken möchte. Im Endeffekt hat sich durch die Streetphotography ein Teil meines Lebens auf den Kopf gestellt.

(Upside down, 2018)

In diesem Sinne…

Streetphotography und die DsGVO

Das Thema treibt mich sehr um, daher hier ein Artikel zu der Thematik.

Nicht eingehen möchte ich auf das Kunsturhebergesetz oder andere Gesetze, die die Streetphotography in Deutschland beeinflussen, sondern mich ganz auf die DsGVO beschränken.

Ferner gibt es schon einige Artikel im Internet (muss man nur nach googeln…), die von Rechtsanwälten verfasst wurden und sich hauptsächlich an Berufsfotografen wenden. Hier möchte ich dagegen die Streetphotography speziell aus der Sicht des Amateurfotografen aufzeigen.

Hinweis: Ich bin auch kein Experte für dieses Thema, d.h. ich schildere hier nur mein Verständnis zur DsGVO. Wenn Sie professionellen Rat suchen, wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt!

Sind Amateuerfotografen von der DsGVO betroffen?

Wie Art. 2 Abs. 1 DsGVO klarstellt, ist Regelungsgegenstand die Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind. D.h. anders als beim KUG, bei dem der Akt des Veröffentlichens die Rechtsfolgen auslösen, ist hier bereits die Aufnahme mit einer Digitalkamera oder einem Smartphone bereits Regelungsgegenstand.

Wichtig ist für Amateurfotografen dann aber Art. 2 Abs. 2c) DsGVO: Die Verordnung findet keine Anwendung bei Verarbeitung von Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Wie diese Vorschrift durch die Gerichte ausgelegt werden wird, wird sehr spannend werden. Denn wenn ich als Amateurfotograf, also als natürliche Person, für mich privat auf der Straße Aufnahmen in meiner privaten Kamera mache und diese Aufnahmen sonst kein anderer zu Gesicht bekommt – also in meiner Privatsphäre verbleibt – dann sehe ich diese Vorschrift als gegeben an.

Erst in dem Moment, in dem die Aufnahmen meine Privatsphäre verlässt, z.B. indem ich das Bild veröffentliche, wird Art. 2 Abs. 2c) DsGVO betroffen sein. Insofern ist eigentlich kein Unterschied zum KUG.

Biometrik bzw. Identifizierung von aufgenommenen Personen

Nach Art. 4 Nr. 1 DsGVO liegen personenbezogenen Daten dann vor, wenn die Person identifizierbar ist. D.h. ich kann aufgrund des Bildes auf seine Identität schließen. Wenn ich einen Menschen von hinten aufnehme, dann wird eine Identitätsfeststellung nur möglich sein, wenn derjenige auf der Rückseite seinen Namen sichtbar macht.

Also dieses Bild ist völlig unkritisch:

(Kiss, 2018)

Daher werden kritisch nur die Bilder sein, bei denen das Gesicht erkennbar ist. Also vermutlich nicht identifizierbar ist die Person auf diesem Bild (allenfalls die Tattoos sind kritisch):

(Forbidden Streetphotography, 2018)

Interessant wird es also, wenn das Gesicht abgebildet wird. Hier wäre eine Identifikation dann möglich, wenn aufgrund biometrischer Verfahren das Gesicht einer Person zugeordnet werden kann.

Hierzu schreibt Art. 4 Nr. 14 DsGVO was unter biometrischen Daten zu verstehen ist: „mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglichen oder bestätigen, wie Gesichtsbilder oder daktyloskopische Daten“.

Ich möchte nicht im Detail auf Verfahren wie das Elastic-Graph-Matching oder das Eigenface-Verfahren eingehen. Als Nagelprobe kann gelten: Wenn die Gesichtserkennung bei Facebook das Gesicht jemanden zuordnen kann, liegen personenbezogene Daten vor.

Noch ein Hinweis, da auf Spiegel-Online etwas aus meiner Sicht Verwirrendes zur DsGVO stand: Der Schutz der DsGVO betrifft nur Personen, keine Tiere! Sie können weiterhin auch als Berufsfotograf Katzenfotos machen und veröffentlichen, wie sie Lust und Laune haben!

Grauzone: Sehr spannend wird es werden, wie mächtig die automatischen Gesichtserkennungssysteme sind, d.h. können Personen identifiziert werden, die dicke Sonnenbrillen tragen? Oder Personen mit Profilaufnahme? Hier werden sich vermutlich die meisten Streitigkeiten entzünden.

Hier ein Beispiel für eine Profilaufnahme:

(Secret guardian, 2018)

EInwilligung der Betroffenen PERSON

Wenn also personenbezogene Daten vorliegen, weil das Gesicht ohne Zweifel identifizierbar ist, und das Bild auch veröffentlicht wurde, dann ist gemäß Art. 6 Abs. 1a) DsGVO eine Einwilligung der betroffenen Person notwendig!

In der DsGVO habe ich übrigens keinen Hinweis gefunden, WANN die Einwilligung vorliegen muss. Daher gehe ich persönlich davon aus, dass eine „heilende“ Einwilligung auch noch nachträglich erfolgen kann.

Klar ist nach Art. 7 Abs. 3 DsGVO, dass selbst eine schriftliche Einwilligung nichts hilft, wenn die betroffene Person nachträglich die Einwilligung widerruft.

Folgen bei nicht vorhandener Einwilligung

Wenn keine Einwilligung vorliegt, obwohl personenbezogene Daten verarbeitet wurden, dann hat die betroffene Person ein Recht auf Löschung des Bildes.

Rechtskosten, die die betroffene Person hatte, müssten dann auch vom Amateurfotografen erstattet werden. Ich gehe davon aus, dass die Gerichte fordern werden, dass vor einem Gerichtsverfahren außergerichtlich eine Löschung von der betroffenen Personen gegenüber dem Amateurfotografen einzufordern ist.

Daneben kann es teuer werden, denn die sog. Aufsichtsbehörde kann Bußgelder bis zu 20 Mio Euro verhängen.

Was bedeutet das jetzt für die Praxis?

Im Grunde war in diesem Fall schon nach dem KUG eine Einwilligung erforderlich. Daran haben sich einige Streetfotografen unter Berufung auf die Kunstfreiheit ohnehin nicht gehalten. Eine Stellungnahme des Bundesministerium des Innern (lässt sich durch googeln gut finden) deutet darauf hin, dass dies von den Behörden ähnlich gesehen wird. Das bedeutet im Endeffekt, dass sich für die Aufnahme- und Veröffentlichungspraxis nicht viel ändern wird. Lediglich das Speichern und Verarbeiten der Daten auf dem heimischen PC erfordert mehr Sorgfalt in Bezug auf Datenschutz.

Interessant wird auch werden, inwieweit die Gerichte in der Ermächtigung nach Art. 85 Abs. 2 DsGVO dahingehend auslegen, dass in Form des KUG bereits eine entsprechende Sondernorm existiert.

UPDATE: Inzwischen gibt es Stellungnahmen sowohl von der EU, als auch dem BMI, die darauf hindeuten, dass die DsGVO für private Fotografen durch das KUG verdrängt wird. Ein privater Fotograf mit Blog muss sich aber bei seinem Blog hinsichtlich der anderen Teile der DsGVO (z.B. Kommentarfunktion etc) an die neuen Datenschutzrichtlinien halten. Wer mehr zur aktuellen Lage sucht, kann googeln oder es gibt auch einen ganz guten Überblick unter https://www.fotorecht-seiler.eu/dsgvo-fotografie-kug-update/ .

Abmahnanwälte

Im Internet steht zur Zeit sehr viel zu Abmahnwellen und Abmahnanwälten, wenn es um die DsGVO geht.

Ich sehe dies persönlich nicht ganz so kritisch. Denn auch ein Abmahnanwalt kann nicht ohne die betroffene Person abmahnen, da fehlt ihm aus meiner Sicht das Rechtschutzbedürfnis.

Interessante Randnotiz: Wenn der Abmahnanwalt gegen einen Amateurfotografen vorgeht, dann muss er persönliche Daten des Amateurfotografen in seinen Bürosystemen speichern. Auch für diese persönliche Daten gilt die DsGVO! D.h. wird man als Amateurfotograf abgemahnt, dann kann der Amateurfotograf auch eine Unterlassung gegenüber dem Abmahnanwalt einfordern!

Es bleibt insgesamt spannend…

Verwendete Stile der Streetphotography

Auch die Streetphotography kennt einige Stile. Ich verwende die meisten davon als Mix. Der Grund hierfür ist, dass ich mich bewusst nicht auf einen Stil reduzieren möchte. Gerade die Vielfalt der Motive ist für mich die Herausforderung, mit den Stilen zu spielen.

Insbesondere will ich mich auch nicht darauf festlegen, nur Schwarz-Weiß oder nur in Farbe Fotos zu machen. Manche Motive sind in Schwarz-Weiß besser, manche in Farbe. Entscheidend ist die größtmögliche visuelle Wirkung.

Hier jetzt die von mir verwendeten Stile, damit sich der geneigte Betrachter ein Bild von meiner Arbeit machen kann.

Schwarz-Weiß Geometrie:

(Lines, 2017)

Hier werden geometrische Muster von diverser Architektur im Zusammenspiel mit einer Person verwendet. Meist ist der Kontrast der Person zur Geometrie entscheidend.

Diesen Stil verwende ich eher selten.

Werbung und Komik:

(Listening to the music, 2018)

Hier setze ich bewusst Menschen und ihr Aussehen, ihre Körperhaltung oder Gestik in Kontrast zu Werbeplakaten in ihrer Nähe. Meist entsteht hierdurch eine komische Situation. Dieser Stil ist häufig mit Warten vor dem Werbeplakat verbunden.

Diesen Stil verwende ich sehr häufig.

Bewegungsunschärfe:

(Fashion guardians, 2018)

In diesem Stil nutze ich die Bewegungsunschärfe durch längere Belichtungszeiten, um sich bewegende Menschen als Schemen in Bezug auf einen Fixpunkt (Plakat, andere Menschen usw.) zu setzen.

Auch diesen Stil verwende ich häufig.

Chiaro-scuro:

(Ghost, 2018)

In diesem Fall nutze ich den Kontrast eines Hintergrundes zu der davor befindlichen Situation. Meistens sind diese Bilder in Schwarz-Weiß, selten setze ich hier Farbkontraste ein. In diese Kategorie fallen aus meiner Sicht auch die Silhouetten.

Diesen Stil nutze ich auch häufig.

Situationen:

(Mini-scooter, 2018)

Hier entsteht meist durch einen Motivkontrast komische Situationen. Dieser Stil ist bei vielen Streetfotografen beliebt, ich verwende ihn aber nur ab und zu, wenn es die Situation hergibt.

Reflektionen:

(Crosswalk, 2018)

Hier werden Schaufenster, Spiegel oder ähnliche reflektierende Oberflächen verwendet, um ein Spiegelbild der Situation zu erreichen.

Auch diesen Stil verwende ich sehr gerne.

Sonderfall – Street-Portraits:

Mit den Street-Portraits ist es so eine Sache. Durch die Nahaufnahme kommt man schnell in den Bereich des Posing, insbesondere dann, wenn die Person eingewilligt hat, dass sie fotografiert wird. Manche Streetfotografen setzen hier auch Blitzlicht ein, um das Gesicht aufzuhellen.

Für mich persönlich sind Posing-Bilder keine Streetphotography mehr, sondern bereits Portraitfotografie, mit dem einzigen Unterschied, dass das Portrait auf der Strasse und nicht im Studio geschossen wird.

Unter Street-Portraits verstehe ich daher nur solche Bilder, die ohne vorherige Einwilligung aus nächster Nähe mit einer das Gesicht betonenden Aufteilung gemacht werden. Leider ist ein Streetfotograf in Deutschland hier sehr schnell in einer gesetzlich kritischen Zone.

Daher kann ich hier auch nur ein Profilfoto zeigen, dass aus meiner Sicht die Identifikation der gezeigten Person erschwert.

(White hair, 2018)

So, ich hoffe, dass ich einen Überblick über die Bandbreite meiner Streetfotos geben konnte. Ich hoffe, es gefällt.

Mein Weg zur Streetphotography

Alles fing im Januar 2017 an: Ich weiß nicht mehr genau wo, aber irgendwie stieß ich auf einen Artikel über Eric Kim. Als ich dann auf die Webseite von Eric Kim ging, dacht ich mir zuerst „was zur Hölle ist das?“. Vorher hatte ich noch nie von Streetphotography gehört oder gelesen. Also habe ich mir die verschiedenen Tutorials von ihm durchgelesen und wurde immer begeisterter.

Einer der Tipps von Eric Kim ist, dass man als Streetfotograf eine kleine Kamera mit Weitwinkel-Festbrennweite benötigt. Zufällig hatte ich damals auch einen Artikel über die angekündigte Fuji X100F gelesen. Und so gab sich das Eine das Andere: Ich bestellte mir im Internet die X100F, heiß darauf, mit der Streetphotography loszulegen. Zwar hatten meine Frau und ich zu diesem Zeitpunkt noch eine Nikon D90, aber die Kamera und die dazugehörigen Objektive waren einfach zu groß und zu schwer, um sie immer mit sich herumzutragen.

Dumm war nur, dass die X100F damals völlig vergriffen war. Also wartete ich. Irgendwann im Mai wurde ich des Wartens überdrüssig und ich begann zu überlegen, ob es überhaupt eine X100F sein muss. Schließlich gewann ich immer mehr die Einsicht, dass ich mit einem Wechselobjektivsystem besser fahren werde. Also wurde die X100F wieder storniert.

Mitte August 2017 war es dann endlich soweit: Ich schnappte mir meine Frau und wir fuhren zu Fotomax in Nürnberg. Eigentlich wollten wir die X-T20 kaufen, heraus kamen wir mit der X-T2, dem Kit-Objektiv XF18-55 und dem Pancake XF27/2.8, das für die Streetphotography gedacht war.

Die ersten Aufnahmen erfolgten dann am 14.08.2017. Das ist die  Geburtsstunde meiner persönlichen Streetphotography. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ca. 30 Follower auf Instagram und postete nur gelegentlich Urlaubsfotos, die mit dem Handy aufgenommen wurde.

Mein erstes Streetfoto war also dies hier:

(Untitled, 2017)

Toll, oder?

Damals war ich noch extrem vorsichtig Menschen aufzunehmen. Außerdem war ich noch immer gewöhnt, dass man keinen Ausschuss produzieren soll, also wurde geduldig fokussiert und dann genau ein Bild gemacht. Die Ausbeute war daher am Anfang ziemlich bescheiden.

Mein erstes Streetfoto, das ich dann auf Instagram gepostet hatte, war dies hier:

(Relax, 2017)

Ich war stolz wie Harry. Die Resonanz war eher bescheiden.

In den Monaten danach begann ich vermehrt zu experimentieren. Zunächst stellte ich von Einzelfoto auf Serienbildaufnahmen um. Dann begann ich, mit den Fokuseinstellungen zu variieren. Bis ich dann beim Nachverfolgungsfokus hängen blieb. Damals arbeitete ich auch noch mit fest eingestellter Blende von 6.4 und einer variablen Verschlusszeit. Naja, der Ausschuss mit unscharfen Bildern war recht hoch.

Das erste – in meinen Augen – gute Streetfoto war dann dies hier:

(On the other side, 2017)

Relativ schnell wuchsen dann auch die Zahlen der Instagram-Follower.

Eine Herausforderung waren dann für mich die Wintermonate. Da ich hauptberuflich Angestellter bin und Streetphotography nur als Amateur betreibe, hatte ich die Gelegenheit für Shootings erst ab ca. 17.00 Uhr. Ab November schießt man als Streetfotograf nur in Dunkelheit. Also musste ich mir angewöhnen, konzentrierter und langsamer zu arbeiten. Also einmal stehenbleiben und die Hand ruhig halten. In diesen Monaten veränderte sich bei mir das Sehen. Trent Parke hat einmal gesagt: „I am forever chasing light. Light turns the ordinary into the magical.“. Wenn man im Winter bei Dunkelheit Street schießt versteht man, was damit gemeint ist.

Es gibt in meinen Augen dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder du schießt gegen das Licht, so dass die Person als Silhouette erscheint oder du schießt mit dem Licht, so dass das Gesicht der Person von Schaufenstern angeleuchtet ist. Ein Beispiel für die Mischung beider Varianten:

(Bags, 2017)

Die eigentlichen Aha-Effekte hatte ich dann im März 2018. Hier hat sich einiges gefestigt: Die Art wie ich den Fotoapparat benutze (dazu in einem anderen Artikel mehr), die Auswahl der fotografierten Motive (auch dazu in einem eigenen Artikel mehr) und die Art und Weise, wie ich Fotos nachbearbeite.

Ich sollte an dieser Stelle auch erwähnen, dass ich nach einer gewissen Ethik Bilder aufnehme: Kinder, hilflose Menschen oder Menschen mit Einschränkungen sind für mich als Fotomotiv tabu! Grundsätzlich verändere ich die Bilder in der Nachbearbeitung fast nicht! In der Nachbearbeitung lege ich nur drei Dinge fest: Acros oder Classichrome, Kontrast erhöhen und Zuschneiden. D.h. Retusche in Photoshop gibt es bei mir überhaupt nicht! Ich würde für mich sonst die Bilder nicht mehr als authentisch ansehen können.

Im Zeitpunkt dieses Artikels habe ich fast 1200 Follower auf Instagram. Aufgenommen habe ich ca. 15000 Bilder. Für eine Veröffentlichung entwickelt wurden davon ca. 1000. Aktuell bin ich auf der Suche nach Gleichgesinnten im Raum Nürnberg, um mich über Streetphotography austauschen zu können. Ich bin neugierig, welche tollen Menschen ich da kennenlernen werde.

Mittlerweile habe ich als zweiten Body noch die Fuji X-E3, die ich hauptsächlich für den Alltag benutze und 4 weitere Objektive. (Das 5. ist bestellt…)

Mein aktuell bestes Bild (aus meiner bescheidenen Sicht) ist dies:

(Mirror man, 2018)

Die Reise geht weiter…

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